Biopolymere in der Medizintechnik - Pins aus PLA zur Verbindung von Knochen und Knorpel
Prof. Dr. Karsten Faust
Neue Innovationskunststoffe auf Basis von Polylactid eröffnen in der Medizintechnik für Patienten ganz neue Perspektiven und Genesungsaussichten. Wurden früher bei Operationen zur Fixierung oder Verbindung von Knochen Metallschrauben oder Pins aus Edelstahl verwendet, so ist in den letzten Jahren ein eindeutiger Trend hin zu biobasierten Kunststoffen zu sehen.
Was ist Polylactid?
Polylactid (PLA) ist ein künstliches Polymer, welches über eine mehrstufige Synthese aus Zucker hergestellt wird. Dabei wird Zucker zu Milchsäure fermentiert und diese zu PLA polymerisiert [1].
Was spricht für Implantate aus Kunststoffen im menschlichen Körper?
Durch die Verwendung medizinisch zugelassener Kunststoffe als Implantate, z.B. Polylactide (siehe auch Veröffentlichung auf „echtplastik.de“) werden diese Implantate im Körper über die Zeit restlos abgebaut. In Verbindung mit Apatit (Mineral) kann darüber hinaus auch der Heilungsprozess positiv gefördert werden. Das Implantat, z.B. der chirurgisch gesetzte Pin oder die Schraube aus Polylactid (C3H4O2)n wird im Körper vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut (Bioabbaubarkeit) und ist darüber hinaus für den menschlichen Körper ungiftig [2].
In der folgenden Abbildung sehen Sie eine medizinische Schraube aus Poly-L-Lactid (PLLA) und ungesintertem Hydroxylapatit (uHA).
Abbildung 1: Bioaktiver und bioresorbierbarer Interferenz-Schrauben aus dem Komposit-Werkstoff Poly-L-Lactid (PLLA) und ungesintertem Hydroxylapatit (uHA) [3].
Kunststoffe lassen sich in ihren Eigenschaften gezielt auf ihre Endanwendung hin entwickeln. So kann man durch die Veränderung der Zusammensetzung die Eigenschaften modifizieren, ebenso gelingt dies durch Steuerung der molaren Masse (Polymerkettenlänge) oder durch Variation des Kristallisationsgrades der Polymilchsäuren. Hierdurch lassen sich die Abbauzeiten im Körper gezielt steuern und auf die medizinischen Bedürfnisse des Patienten abstimmen.
Während ein Metallimplantat i.d.R. nach 12 – 24 Monaten durch eine weitere Nachoperation entfernt werden muss und damit erneut ein risikobehafteter chirurgischer Eingriff erfolgt, ist durch die vollständige Bioabbaubarkeit von Polylactid keine zweite Operation notwendig.
Bei den verwendeten Schrauben (Abb. 2, Abb. 3) handelt es sich um kopflose Schraube, mit abgestufter Gewindesteigung. Durch die konische Form zieht die Schraube zwei Fragmente (Knochen und Knorpel) aneinander, ohne dass ein Überbohren des proximalen Knochenstücks erforderlich ist. Da die Biokompressionsschraube aus PLA keinen Kopf besitzt, steht sie nicht über die Kortikalis (äußerer Randbereich) hervor [5], was sich positiv auf das „Überwachsen“ mit Knochengewebe auswirkt.
Die folgende Abbildung (2) zeigt eine Aufnahme einer Magnetresonanztomographie (MRT) eines Kniegelenks. Das MRT ist ein diagnostisches Verfahren zur Erzeugung von Schnittbildern des menschlichen Körpers [6].
Abbildung 2: MRT Abbildung mit Längsschnitt des Kniegelenks [4]
Abbildung 3: Knie mit Knorpel in Aussicht und gesetzten Pins[4]
Deutlich zu erkennen sind zwei PINS aus Polylactid, welche in einer Operation am Kniegelenk gesetzt wurden. Medizinische Indikation war, dass durch die Pins ein Zusammenwachsen von Knochen und partiell abgelöstem Knorpel gewährleistet wird. Die Abbildung 3 zeigt das Knie mit Knorpel in Aufsicht und die gesetzten Pins.
Warum ist ein Metallimplantat eigentlich weniger gut geeignet als ein Kunststoffimplantat?
Kunststoffe sind im Vergleich zu den Metallen elastischer und weniger hart und spröde. Die Elastizität und damit Flexibilität eines Implantats aus Kunststoff hat den Vorteil, dass eine Reizweiterleitung zum Knochen stetig erfolgt. Die Reizwirkung ist die Basis zur Generierung neuer Nervenbahnen und damit Garant für die Ausbildung der Knochendichte und Knochenfestigkeit [2]. Wird ein hartes und sprödes Material als Implantat (Metall) eingesetzt, wird die Reizweiterleitung aufgrund der hohen Festigkeit und Steifigkeit gegebenenfalls vollständig absorbiert. Das bedeutet wiederum, der Knochen wird in diesem Fall fast vollständig und kontinuierlich entlastet. Die Folge ist eine verlangsamte Ausbildung von Nervenbahnen und damit einhergehend ein verlangsamter Heilungsprozess oder gar Knochenabbau [2].
Stichwörter
Biokunststoffe, Polylactide (PLA), Medizintechnik, Implantate, Bioabbaubarkeit, Kunststoffe
Literaturverzeichnis
[1] https://www.kunststoffe.de/a/grundlagenartikel/polylactid-pla-264462
[2] Plastverarbeiter Online, Dr. Karin Aßmann, Evonik, Hüthig GmbH, 2021
[3] https://www.richard-wolf.com/de/disziplinen/orthopaedie/bioactif-osteotrans/
[4] https://www.gesundheit.gv.at/labor/untersuchungen/mrt-ct-roentgen/mrt
[5] Mihalic, J.: Behandlung von chondralen und osteochondralen Frakturen nach Patellaluxationim Kindes- und Jugendalter, Dissertation, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Klinische Abteilung für Kinderorthopädie, Universität Graz, 2016
[6] Bildquellen: von privat, angefertigt im Sporthopaedicum Straubing bzw. Klinikum St. Wolfgang, Bad Griesbach